Das Uniklinikum Salzburg verfügt über ein eigenes Labor für 3D-Druck – breites Einsatzspektrum bei komplexen Operationen
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Dieses Schädelmodell und das Implantat entstanden im 3D-Drucklabor des Uniklinikums Salzburg. Das Implantat könnte auch tatsächlich eingesetzt werden.
Eine 53-jährige Patientin leidet an einem Meningeom, das von den Hirnhäuten ausgeht. Der an sich gutartige Tumor wächst langsam, aber stetig und drückt bereits auf den Sehnerv. Um das Augenlicht zu retten, muss das Meningeom nachhaltig operativ entfernt werden. Die Uniklinik für Augenheilkunde hat die Patientin daher an das Team der Uniklinik für Neurochirurgie unter der Leitung von Professor Christoph Griessenauer überwiesen, das derzeit mit Kolleginnen und Kollegen der Uniklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) unter der Leitung von Professor Alexander Gaggl den komplexen Eingriff plant, der im Juni durchgeführt werden soll. „Wir müssen dabei einen Teil des Augenhöhlendachs, der Augenhöhlenwand und des Schädeldachs entfernen“, erklärt Simon Enzinger, Geschäftsführender Oberarzt der Uniklinik für MKG.
Die Vorbereitungen sind umfangreich. Enzinger: „Wir drucken am 3D-Drucker ein komplettes Schädelmodell der Patientin – inklusive des geplanten Defekts, sprich: der Größe des Meningeoms zum Zeitpunkt der Operation.“ Die Daten für das Modell stammen aus der CT (Computertomographie), MRI (Magnetresonanztomographie) und PET (Positronen-Emissions-Tomographie). Anhand des 3D-Modells aus dem Drucker wird der Operationsbereich definiert – die Größe des Tumors inklusive 1 Zentimeter Sicherheitsbereich.
Ebenfalls am 3D-Drucker wird eine sogenannte Schneideschablone für den Eingriff erstellt und unter Reinraum-Bedingungen ein Implantat aus PEEK-Kunststoff (Polyetheretherketon) gedruckt, das der Patientin in den Schädel eingesetzt werden könnte. Außerdem kann das Team der Chirurginnen und Chirurgen an den Modellen aus dem 3D-Drucker den Eingriff üben. „Das ist ein sehr realitätsnahes Operations-Gefühl“, beschreibt der Neurochirurg Johannes Pöppe.
3D-Druck als zentraler Teil der digitalen Strategie
Das alles können die Spezialistinnen und Spezialisten am Uniklinikum Salzburg mittlerweile selbst erledigen: „Wir treiben in allen Bereichen der Salzburger Landeskliniken die Digitalisierung konsequent voran – nicht als Selbstzweck, sondern sie muss bei den Patientinnen und Patienten ankommen. Der 3D-Druck ist ein wichtiger Mosaikstein in unserem großen, digitalen Bild“, erklärt Paul Sungler, Geschäftsführer der Salzburger Landeskliniken.
2021 war für den größten Gesundheitsdienstleister und Arbeitgeber im Bundesland das „Jahr der Digitalisierung“. Ein Projekt, das im Vorjahr auf den Weg gebracht wurde, geht nun auf die Zielgerade: „Wir verfügen jetzt am Uniklinikum Campus LKH über ein eigenes 3D-Drucklabor mit sechs leistungsfähigen Geräten“, informiert der Leiter des Managementbereichs Medizin- und Informationstechnologie (MIT), Paul Kühnel. Es entstand durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Chirurginnen und Chirurgen und IT-Fachkräften und wird von der MIT-Kundenbetreuung unter der Leitung von Werner Wurm betrieben und.
Mehr Qualität und weniger Belastung für die Patientinnen und Patienten
Für die Qualität der Eingriffe und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten bedeutet das einen weiteren Quantensprung: Komplexe Eingriffe können nicht nur besser geplant und geübt werden, sondern die Dauer sinkt zum Teil um fünf bis sechs Stunden – auch aufgrund der verwendeten intraoperativen Bildgebung. „Exaktere Eingriffe bedeuten kleinere OP-Bereiche, kleinere Wunden und kleinere Narben. Eine kürzere Narkosezeit senkt die Belastung zusätzlich“, erläutert Dozent Sungler, der selbst gelernter Chirurg ist. In der Nachsorge profitieren die Patientinnen und Patienten durch die Kunststoff-Implantate. Denn an Personen mit Metall-Implantaten können keine CT- oder MRI-Untersuchungen durchgeführt werden.
Zudem sinkt die Wartezeit auf die Eingriffe, weil die Modelle und Implantate nicht mehr außer Haus erzeugt werden müssen, was zum Teil 4 Wochen gedauert hat, sondern nun innerhalb weniger Stunden oder eines Tages selbst gedruckt werden können. Und natürlich profitiert der medizinische Nachwuchs, weil er anhand von 3D-Modellen seine Fertigkeiten verbessern kann.
Die Strategie war richtig gewählt
Vor 6 Jahren begannen sich die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen Simon Enzinger und Jörn Wittig sowie Werner Wurm, Abteilungsleiter im Managementbereich Medizin- und Informationstechnologie, intensiv mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks im OP-Bereich auseinanderzusetzen. „Wir haben am Anfang gebastelt und ausprobiert“, erinnern sich die drei schmunzelnd zurück.
Mittlerweile wurden in Zusammenarbeit mit dem Bereich Organisationsentwicklung klar definierte Anwendungsbereiche und Prozesse definiert. Die notwendige technische sowie räumliche Infrastruktur steht bereit, und es gibt bereits Anforderungen aus weiteren Bereichen wie der Uniklinik für Orthopädie und Traumatologie unter der Leitung von Professor Thomas Freude: „Heute können wir sagen, wir haben die richtige Strategie gewählt: Im Kleinen beginnen und mit steigender Erfahrung schrittweise mehr Anwendungsfelder erschließen. Der Plafond für den 3D-Druck ist im OP-Bereich noch lange nicht erreicht.“ Schon jetzt wird an der Uniklinik für MKG bei rund 150 komplexen Eingriffen pro Jahr die 3D-Drucktechnik eingesetzt.