Auch Unterarm-Gipse für Kinder sollen aus dem 3D-Drucker kommen
© SALK/Mohamed
3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg: Oberarzt Simon Enzinger, Landesrätin Daniela Gutschi, IT-Techniker Werner Wurm.
„Die Digitalisierung ist einer der großen Trends in der medizinischen Entwicklung. Das 3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Digitalisierung direkt bei den Patientinnen und Patienten ankommt: Es werden neue Operationen und OP-Techniken möglich. Die Eingriffe dauern kürzer und sind für die Patientinnen und Patienten schonender“, fasst Gesundheits- und Spitalslandesrätin ihre Eindrücke nach einem Besuch vor Ort zusammen.
Das 3D-Druck-Labor entwickelt sich derzeit in drei Richtungen weiter, wie der Leiter der Einheit, IT-Techniker und 3D-Druck-Pionier Werner Wurm, erklärt: „Wir bereiten einen neuen Zertifizierungsprozess vor, damit wir auch Gesichts-Implantate selbst herstellen dürfen. Wir planen Unterarm-Gipse für Kinder aus dem 3D-Drucker. Und wir entwickeln gemeinsam mit unseren Ärztinnen und Ärzten laufend neue OP-Modelle und chirurgische Hilfsmittel, mit denen Operationen effizienter durchgeführt werden können.“
Sieben neue Implantate für das Gesicht
Seit Herbst 2023 darf das 3D-Druck-Labor am Uniklinikum Salzburg selbst ausgedruckte Teile der Schädeldecke (Kranialplatten) den Patientinnen und Patienten auch einsetzen – dem war ein eineinhalb Jahre lang dauernder Zertifizierungsprozess nach den MDR (Medical Device Regulation) vorangegangen. „Diese Kranialplatten werden vor allem nach Unfällen oder Tumor-Operationen eingesetzt“, erläutert Simon Enzinger, Geschäftsführender Oberarzt der Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) am Campus LKH, der mit Werner Wurm das Labor gemeinsam aufgebaut hat. Mehr als 30 solcher Eingriffe haben bislang stattgefunden – die Mehrzahl an der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Campus Christian-Doppler-Klinik
Nun wird ein neuer Zertifizierungsprozess für 7 verschiedene Onlays (Auflagerungen) für das Gesicht vorbereitet: linker und rechter Kieferwinkel, Kinn, Stirn, linkes und rechtes Jochbein sowie Hinterhaupt. Enzinger: „Diese Onlays werden z. B. Patientinnen und Patienten eingesetzt, um schwere Fehlbildungen des Schädels zu korrigieren, unter den die Personen seit ihrer Geburt leiden.“ Hintergrund: Die Salzburger MKG ist bundesweit zertifiziertes Expertisezentrum für Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten und kraniofaziale Anomalien (Schädelfehlbildungen). Der neuerliche MDR-Zertifizierungsprozess wird wiederum mehrere Monate dauern.
Unterarm-Gips aus dem 3D-Drucker
Ein zweites Projekt läuft gemeinsam mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie sowie mit einem Schweizer Start-up, dessen Gründer Unfallchirurg ist: Kinder sollen am Uniklinikum Salzburg in Zukunft einen „Unterarm-Gips“ aus dem 3D-Drucker erhalten: „Die Orthese aus dem 3D-Drucker ist in zwei Stunden fertig, viel leichter als Gips, wasserfest, hält besser und länger und juckt vor allem nicht“, fasst Wurm die Vorteile zusammen. Dieses Projekt steht kurz vor der Zulassung.
Von der Bastelwerkstatt im Keller zum Profi-Labor
Begonnen hatten Wurm und Enzinger mit dem 3D-Druck 2015 in einem Keller-Archiv der MKG: „Mit einem Spielzeugdrucker, den wir aus der Filiale einer Handelskette hatten, haben wir die ersten OP-Modelle gedruckt. Damals noch ganze Schädel.“ Was am Beginn 120 Stunden Druckzeit pro Schädel bedeutete, entwickelte sich rasch weiter.
Mittlerweile kann das Team des 3D-Druck-Labors innerhalb eines Tages auf der Basis von CT-Bildern ein lebensechtes Modell z. B. der Augenhöhle einer Patientin am Bildschirm konstruieren und ausdrucken. Enzinger: „Anhand solcher Modelle planen wir Chirurgen Eingriffe. Wir sehen, wie die Knochenstruktur tatsächlich aussieht, was uns erwartet und können so die Schnitte planen.“
Zudem bauen die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen immer wieder aus Teilen des Wadenbeines (Fibula) deformierte Unterkiefer nach – Hintergrund: Der Körper stößt die eigene Knochenstruktur nicht ab. Auch für solche Eingriffe werden mittlerweile zuvor Modelle und Schnittschablonen gefertigt, damit die eigentliche Entnahme der Knochenstruktur schneller geht. HNO-Ärztinnen und -Ärzte lassen sich vor dem Einsetzen von Hörimplantaten Modelle anfertigen, die zeigen, wo in der Schädeldecke genau die Schrauben für die Implantate eingesetzt werden.
„Gerade im Bereich der Modelle und der chirurgischen Hilfemittel wie Schnittschablonen gibt es praktisch unendlich viele Anwendungsmöglichkeiten“, erklärt Professor Alexander Gaggl, Vorstand der Universitätsklinik für MKG: „Wir haben in den vergangenen Jahren das Know-how aufgebaut und können jetzt die Ernte einfahren.“
Die Vorteile des eigenen 3D-Druck-Labors liegen auf der Hand, wie Professor Gaggl zusammenfasst: „Weil Techniker und Ärzte die Implantate und Modelle gemeinsam vor Ort erarbeiten, ist das Ergebnis sehr genau – wir sprechen hier von 0,2 mm Abweichung zwischen Modell und Realität. Die Modelle sind teilweise innerhalb eines Tages, die Implantate in wenigen Tagen verfügbare und nicht erst in Wochen. Und die Kosten unserer eigenen Modelle und Implantate liegen im Vergleich zu fremdgefertigten Erzeugnissen bei einem Bruchteil.“ Seit Jahresbeginn steht dem 3D-Druck-Labor zudem ein KI-Scanner zur Verfügung, der 3D-Bilder binnen weniger Minuten errechnet und damit z. B. Kindern die Strahlenbelastung durch ein CT ersparen kann.